Aus der Geschichte des Landkreises
Eine Universität mit Ausstrahlung
1477 gründete Graf Eberhard im Bart die Universität in Tübingen mit den Fakultäten Theologie, Jura, Medizin und Philosophie. Wesentliche Mitwirkung zugunsten der akademischen Bildungseinrichtung wird seiner Mutter Mechthild von der Pfalz zugeschrieben, die in Rottenburg residierte.
"Tübingen hat keine Universität, Tübingen ist eine Universität" – dieses Bonmot weist auf die überragende Bedeutung der 1477 vom württembergischen Grafen Eberhard im Bart gegründeten Bildungseinrichtung hin, nicht nur für die Stadt, sondern für das ganze Land.
Die Eberhard-Karls-Universität brachte wissenschaftliche Leistungen von internationalem Rang hervor. An der Universität Tübingen lehrten im 16. und 17. Jahrhundert die Theologen Gabriel Biel (um 1410–1495) und Konrad Summenhard (1460–1502), der Jurist, Humanist und Geschichtsschreiber Johannes Vergenhans – Nauclerus (1425–1510), der Jurist, Humanist und wichtigste Vertreter des Neuplatonismus in Deutschland Johannes Reuchlin (1455–1522), der Humanist und Dichter Heinrich Bebel (1472–1518), der Humanist und spätere Reformator Philipp Melanchthon (1497–1560), der Botaniker Leonhart Fuchs (1501–1566), der Mathematiker und Astronom Johannes Stöffler (1452–1531), der Gräzist Martin Crusius (1526–1607), der Humanist und Dichter Nikodemus Frischlin (1547–1590), der Erfinder der ersten mechanischen Rechenmaschine (1623) Wilhelm Schickhardt (1592–1635), der Jurist Nikolaus Varnbüler (1519–1604).
Einen besonderen Ruf erwarb sich die Universität mit ihrem Kanzler Jakob Andreä (1528–1590) als Wächterin über die lutherische Lehre gemäß der von ihm ausgehandelten Konkordienformel (1577). Ein weiterer bedeutender Professor der theologischen Fakultät war Jakob Heerbrand, der Reformator Badens (1521–1600). Rudolf Jakob Camerarius (1665–1721) war der Entdecker der geschlechtlichen Natur der Pflanzen und Wegbereiter für die empirische Meteorologie in Deutschland. Johann Georg Gmelin (1709–1755) gehört zu den Erforschern Sibiriens.
1817 wurde in Tübingen die erste Staatswissenschaftliche Fakultät Deutschlands eingerichtet, deren Lehrstuhl erhielt Friedrich List (1789–1846), der Vorkämpfer des Eisenbahnsystems in Deutschland. Vor allem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erlebte die Universität einen naturwissenschaftlichen Aufschwung, als von hier aus die Physiologische Chemie in Deutschland ihren Ausgang nahm oder als der Botaniker Hugo Mohl (1805–1872) die moderne Zytologie begründete.
Als Dichter gewannen Ludwig Uhland (1787–1862), der jung verstorbene Märchenautor Wilhelm Hauff (1802–1827), der wegen seiner jugendgerechten Übertragung der Sagen des klassischen Altertums noch heute geschätzte Gustav Schwab (1792–1850), der Arzt und Dichter Justinus Kerner (1786–1862) und Eduard Mörike (1804–1875) Ruhm weit über die Grenzen Tübingens hinaus.
Und noch heute verleihen Namen wie die des Rhetorikers Walter Jens (1923–2013), des Theologen Hans Küng (1928–2021) oder der Genetikerin und Nobelpreisträgerin (Forschungen an der Fruchtfliege Drosophila melanogaster) Christiane Nüsslein-Volhard (geb. 1942) der Universität Glanz.
Bis übers 18. Jahrhundert hinaus hatten an der Universität Tübingen mehrere Generationen von Professoren aus einer begrenzten Anzahl von Familien das Sagen. So begegnen immer wieder Namen wie Osiander bei den Theologen und Harpprecht bei den Juristen. Von den Gmelin sagte man später, sie hätten allezeit geborene und ungeborene Professoren. Diese Professoren bestimmten maßgeblich über die Geschicke der Bildungsanstalt, deren Angehörige enorme Privilegien genossen: Einen eigenen Gerichtsstand, die Freiheit von städtischen Steuern, das Recht, bei Abzug aus dem Territorium die Habe ungeschmälert mitzunehmen.