Aus der Geschichte des Landkreises

Der Neckar – ein Fluss mit Einfluss

Von Natur aus mäandrierend, sind am heutigen Flusslauf die baulichen Eingriffe abzulesen.

Neben der Schwäbischen Alb und ihrem steilen Trauf ist es vor allem der Neckar, der über den Zeitraum von zwei Jahrtausenden hinweg als gleichbleibende landschaftliche Struktur die Geschichte unseres Raumes prägte. Allerdings floss er lange Zeit nicht so deutlich strukturiert durch die Tübinger Bucht wie heute. Bis weit ins 18. Jahrhundert hinein mäandrierten die Wasser wild hin und her, suchten sich bei jeder Frühjahrsflut ein neues Bett.

Alleine die Hirschauer benötigten seinerzeit zwölf Brücken, um die unterschiedlichen Flussarme auf ihrer Markung überwinden zu können. Das morastige Schwemmland war schwer zu passieren, so dass sich Fuhrwerke im Mittelalter und in der frühen Neuzeit eher über die Höhen bewegten. So umging die alte Landstraße von Ulm nach Tübingen, ein „uralter Reis- oder Reitweg", das Neckartal in weitem Bogen. Sie führte zunächst im Steinlachtal bis zum Bläsiberg und erklomm dort die Härten, um dann, an Reutlingen vorbei, Urach zuzustreben.

Eine im 17. oder 18. Jahrhundert neu gebaute Landstraße durchs Neckartal nach Kirchentellinsfurt und von dort aus weiter über Sickenhausen bis zur Teufelsbrücke, welche die Distanz in etwa halbierte, geriet an der „Enge" kurz vor Kirchentellinsfurt immer wieder unter den Einfluss des Neckars. Hier trat das oft reißende Gewässer in einer Schlingenbildung besonders nahe an den Steilhang der Härten heran und knabberte immer wieder am Fahrweg.

Luftbild, der Fluss Neckar, bestanden mit Bäumen, verläuft vom Vordergrund in den Hintergrund, umgeben von Feldern und Ortschaften, im Mittelgrund beidseits Baggerseen, im Hintergrund Berge
Der Neckar zwischen Kiebingen und Hirschau.

Der Neckar bot nur an wenigen Stellen günstige Gelegenheiten zur Überquerung. An einer solchen Furt wurden Lustnau und später Tübingen gegründet. Durch die „Tälinsfurt" unterhalb der heutigen Gemeinde Kirchentellinsfurt konnten Reisende die Echaz überqueren. In den genannten Orten entstanden auch die ältesten Brücken über den Neckar. Für Lustnau gibt es sogar archäologische Hinweise auf eine Brücke aus der Römerzeit. Im Falle Tübingens war die Eberhardsbrücke jahrhundertelang ein entscheidender Standortfaktor.

Kirchentellinsfurt kam erst 1770 zu einer Neckarbrücke, an der jeder Reutlinger einen extra Brückenzoll bezahlen musste. Angesichts des wertvollen Bodens im Neckartal war es immer wieder „erbärmlich anzusehen ..., was vor heftigen Schaden mit Überschwemmung und Zerreussung der Güter" der Fluss anrichtete.

Ebenso zahlreich wie die Klagen über Hochwasser sind die Versuche, der Naturgewalt Einhalt zu gebieten. Bereits 1632 bauten die Hirschauer Dämme am Neckar, um ihr Ackerland zu schützen. Dadurch geriet das Gewässer aber so sehr aus seinen Bahnen, dass es auf Kilchberger Markung über 70 Morgen Ackerland wegriß und von vorher 196 Meter auf nur noch 56 Meter an den Kilchberger Schlossgarten herankam. Ein jahrelanger Rechtsstreit war die Folge. Erst unter Leitung des hohenbergischen Landvogtes Anton von Blanc wurde der Neckar zwischen 1779 und 1786 oberhalb Tübingens auf einer Länge von etwa sieben Kilometern kanalisiert. Am Ende blieb der uns bekannte begradigte Flusslauf übrig. Noch heute sind die Konturen der Schwemmdämme des einst mäandrierenden Neckars bei Kiebingen und Bühl im Ackerland zu erkennen. 378 Morgen landwirtschaftlicher Nutzfläche hatte man der Naturgewalt durch die Korrektion abgetrotzt. Hochwasser nahmen aber noch 1824, 1873 und 1882 ein solches Ausmaß an, dass die weite Ebene zwischen Rottenburg und Tübingen fast ganz überschwemmt war und im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts neue Schutzbauten errichtet werden mussten.

Tübingen – ihre erhöhte Lage schützte die Stadt vor dem Neckar hinreichend –  führte eine große Neckarkorrektion erst zwischen 1906 und 1910 durch, hier vor allem im Zusammenhang mit der Bebauung des südlichen Neckarufers und dem Bau von Flusskraftwerken. Bei Kiebingen (1910), unterhalb von Tübingen (1910) und an der Rappenhalde (1929) wurden Staustufen angelegt und Kraftwerke gebaut.

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