Aus der Geschichte des Landkreises

Hochburg der Römer

Bis ins 1. Jahrhundert n. Chr. bildeten Donau und Rhein die Grenzen des römischen Reiches gegenüber Germanien. Von Straßburg und Windisch aus besetzten römische Legionäre unseren Raum um 74 n. Chr. und kolonisierten die hier ansässigen Kelten.

Zunächst scheinen die Römer in Sumelocenna, so der Name Rottenburgs zur Römerzeit, ein Militärlager angelegt zu haben. In dessen Nähe wuchs seit 85/90 n. Chr. eine Siedlung mit städtischen Strukturen, die zum zentralen Verwaltungssitz aufstieg. In deren Umfeld entstand ein dichtes Netz von Siedlungen und Höfen, „villa rustica" genannt, welche die Versorgung der Stadt sicherstellten.

Über 90 Fundstellen römischer Ansiedlungen sind im Raum um Tübingen und im Oberen Gäu bislang bekannt, zehn davon befinden sich in unmittelbarer Umgebung von Rottenburg. Bedeutende Gutshöfe gab es in Rottenburg-Kreuzerfeld, bei Neustetten-Remmingsheim, bei Bondorf, Hirrlingen, Rottenburg-Hemmendorf und Rottenburg-Dettingen.

Um 260 n. Chr. gab das römische Reich dieses Gebiet wieder auf, nach und nach ließen sich germanische Stämme, die Alamannen, hier nieder. Wer aus dem Gebiet des heutigen Landkreises Tübingen und des gesamten mittleren Neckarraumes größere Marktgeschäfte oder Verwaltungsgeschäfte erledigen musste, machte sich während der Römerzeit auf den Weg nach Sumelocenna, dem heutigen Rottenburg. Dorthin gelangte er unter anderem auf der zentralen Römerstraße, die von Windisch über Hüfingen, Rottweil, Hirrlingen, Rottenburg, Wurmlingen, Unterjesingen, Tübingen, Lustnau und Köngen (Grinario) nach Heidenheim sowie Cannstatt führte. Der Damm dieser Straße ist bis heute in den Wiesen östlich von Hirrlingen erhalten geblieben. Eine Querachse zweigte von der Hauptroute Rottweil/Köngen bei Unterjesingen ab und führte westwärts das Ammertal hinauf über Herrenberg nach Pforzheim. Der genaue Straßenverlauf ist im Kreisgebiet nur noch ungefähr nachvollziehbar.

Sumelocenna-Museum Rottenburg: öffentliche Toilettenanlage mit Kanalisation und Wandmalereien
Ausstellung im Freien von Steinskulpturen, unter anderem Fragmente wie das aus Stein gehauene Schindeldach des früheren Grabmals, eine Sphinx, Menschenköpfe, ein hölzerner Aufbau wurde für das Denkmal errichtet, das auf vier Säulen stehende Pyramidendach erinnert an das Pfeilergrab)
Römische Funde bei Kirchentellinsfurt, die Ausstellungsplattform liegt nahe der Bundesstraße 27. Die Holzkonstruktion macht auf die Ausstellung aufmerksam und erinnert an das Pfeilergrabmal aus dem frühen 3. Jahrhundert n. Chr., das an der auch zur Römerzeit durchs Neckartal führenden wichtigen Verkehrsverbindung mit ursprünglich über zehn Metern Höhe weithin sichtbar war. Das Kirchentellinsfurter Grabmal ist eines von nur vier in Deutschland bekannten Pfeilergrabmälern und wurde 1859 entdeckt.

In aller Regel legten römische Legionäre diese Straßen an. Auf ihnen marschierten Truppen und rollte der Nachschub. Aber auch Handel und Gewerbe profitierten davon. Ochsengespanne – die häufigsten Verkehrsmittel – brachten luxuriöse Importwaren aus der Heimat bis in die Provinz. Römische Straßen standen technisch auf einem sehr hohen Niveau. So gute Verkehrswege baute man in Mitteleuropa erst wieder 1500 Jahre später. Häufig verliefen Römerstraßen nahezu geradlinig durchs Gelände, oft auf einem Damm. Größere Steine bildeten das Fundament, über dem folgte eine Schicht aus feinerem Kies, den nicht selten ein Pflaster aus Steinplatten abdeckte. Den Abfluss von Regenwasser begünstigte eine leichte Wölbung der Straßendecke.

An Straßenstationen kontrollierten Soldaten den Verkehr und hielten frische Pferde für Kuriere bereit. Steinerne Meilen- oder Leugensteine informierten über die Strecke bis zur nächsten Siedlung und den Namen der Straße. In der Regel firmierten die Bauherren als Namensgeber, beispielsweise im Fall der „Via Claudia Augusta". Kaiser Claudius hatte diese Verbindung von Norditalien über die Alpen nach Augusta Vindelicorum (Augsburg), der Provinzhauptstadt Rätiens, in Auftrag gegeben.

Der römische Gutshof Hechingen-Stein ist bereits an der Bundesstraße 27 kurz vor Hechingen ausgeschildert. Er gehört zu den größten, bedeutendsten und besterhaltenen römischen Gutshöfen in Deutschland. Seit 1976 rekonstruierte ein Verein die „villa rustica", baute ein römisches Backhaus auf und stattete die Anlage mit Reisewagen, Arbeitsgeräten sowie einem Kräutergarten aus.

Anmerkung:

Durch das Neckartal bis Rottenburg und weiter Richtung Süden über Rottweil bis in die Nordschweiz verläuft die im Jahr 2000 für den Tourismus eröffnete "Römerstraße Neckar-Alb-Aare". Stationen im Landkreis Tübingen sind Kirchentellinsfurt (Pfeilergrabmal und Skulpturen, unter anderem Teile der Steinbildhauerarbeit des Schindeldachs, Sphingen und Köpfe), Rottenburg (Badeanlage, Sumelocenna-Museum mit Toilettenanlage und Ausstellung zum römischen Alltagsleben, Lapidarium vor dem Museum, Römersäulen, aufgestellt am Aussichtspunkt überm Neckartal), Bad Niedernau (im Katzenbachtal Quelle mit Relief des "Apollo Granus"), Obernau (im Rommelstal Reste des Wasserleitungssystems für die Versorgung von Sumelocenna) und Hirrlingen (Römerstraße als erhabene Struktur im Gelände Richtung Rangendingen erkennbar), bei Hechingen (Zollernalbkreis) liegt das Römische Freilichtmuseum Hechingen-Stein mit der bedeutenden Anlage einer Villa Rustica.

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