Aus der Geschichte des Landkreises

Ein herrschaftlicher Flickenteppich

Zwischen Ortschaften lassen sich Unterschiede in kulturellen Prägungen beobachten: Die Ursachen liegen in der territorialen Zersplitterung unseres Raumes.

Das breite Schwäbisch manches Einwohners des Landkreises Tübingen hört sich in einem Dorf völlig anders an als im nächsten.
Während viele Kirchen im östlichen Teil des Gebietes eher nüchtern und karg, „b´häb" würde der Schwabe sagen, ausgestattet sind, erscheinen die im Westen reicher geschmückt und kunstvoller.
An der „Fasnet" spannen die Hirschauer und Wurmlinger bunte Lumpenbänder über die Straßen, wohingegen das Fest die Menschen weiter östlich und am Albrand eher kalt lässt.

Wer offenen Auges durch den Landkreis fährt oder wandert, der wird immer wieder auf solche Unterschiede stoßen und nach und nach regelrechte Trennlinien zwischen den Dörfern beobachten.

Die Ursachen dafür liegen in der territorialen Zersplitterung unseres Raumes nach dem Ende der staufischen Kaiser 1268 bis zur napoleonischen „Flurbereinigung" 1806.

Im Gebiet des heutigen Landkreises Tübingen hatten zunächst die Pfalzgrafen von Tübingen und die Grafen von Hohenberg das Sagen.
Es ist erstaunlich: Von diesen beiden Geschlechtern, die bei uns vor allem vom 12. bis 14. Jahrhundert Geschichte machten, wirken die Grafen von Hohenberg stärker nach als die Pfalzgrafen von Tübingen. Dies, obwohl die Pfalzgrafen sowohl hinsichtlich ihrer sozialen Stellung als auch ihrer Herrschaftsrechte in unserem Raum eigentlich den Vorrang genießen müssten.
Ein Hauptgrund dürfte darin liegen, dass später Hohenberg als Herrschaft innerhalb der Habsburgermonarchie bis 1806 erhalten blieb, während die Städte und Dörfer der Pfalzgrafen von Tübingen in der Grafschaft Württemberg aufgingen.

Karte von 1723/24 mit Einzeichnung von territorialen Grenzen auf dem Gebiet des heutigen Landkreises Tübingen
Karte von 1723/24 mit Einzeichnung der territorialen Grenzen auf dem Gebiet des heutigen Landkreises Tübingen (Gabriel Bodenehr, Verleger, Kartograph und Kupferstecher Augsburg). Die Grenzen Württembergs sind gelb, die der ritterschaftlichen Gebiete und der Reichsstadt Reutlingen türkis und der österreichischen Unteren Herrschaft Hohenberg rotbraun eingetragen, einige Einträge von Orten und Namen sind fehlerhaft.
Schlossgebäude, zweistöckig mit Walmdach, dahinter eine Kirche mit Dachreiter, dazwischen ein mehreckiger Turm
Rittergüter und geistliche Territorien: zahlreiche Schlösser in den Ortschaften des Landkreises zeugen von historischen Ortsherrschaften. Hier die Schlossanlage in Hemmendorf (1790/91 errichtet, zwei achteckige Türme stammen vom älteren Schloss 1608/1619, die Zehntscheuer brannte 1897 ab). Das Dorf gehörte seit Mitte des 13. Jahrhunderts dem Johanniterorden. Der Ritterorden erbaute das Schloss als Johanniterkommende. Die Komture des Johanniterordens waren in der Regel adlige Verwalter des Ordensbesitzes. Im Zuge der Säkularisierung und Einziehung des Besitzes nach 1805 kam Hemmendorf zu Württemberg. 

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