Aus der Geschichte des Landkreises

Der Schönbuch – Wald der Könige

Bei Jagd und Waldnutzung waren die Grundherren gegenüber der bäuerlichen Bevölkerung privilegiert. Das Waldgebiet, seit 1972 erster Naturpark in Baden-Württemberg, ist heute auch Erholungsraum.

Es gibt Tage, da strömen über 100.000 Menschen in den Schönbuch. Sieht man von den Grillstellen ab, verteilen sich die Massen dennoch auf den unzähligen Wegen und Pfaden des Naturparks nahezu perfekt.

Auch wenn es sich beim Schönbuch mit 156 Quadratkilometern um den flächenmäßig kleinsten Naturpark Deutschlands handelt, muss man sich doch wundern, dass im Ballungsgebiet Stuttgart/Tübingen solch ein riesiger Wald als zusammenhängende Fläche erhalten blieb. Dafür gibt es zwei triftige Gründe: Zum einen boten die kargen Stubensandstein-Böden und die tief eingeschnittenen Täler den Siedlern wenig Attraktives. Rodungsinseln entstanden lediglich an Standorten mit besseren Böden, zum Beispiel auf dem Einsiedel oder der Pfrondorfer Platte. Später schützten die württembergischen Grafen, Herzöge (seit 1495) und Könige (seit 1806) ihr Lieblingsjagdgebiet vor Zugriffen von außen.

Luftaufnahme eines großen Waldgebiets mit aufsteigenden Nebelschwaden, im Vordergrund eine Lichtung, im Hintergrund Berge
Naturpark Schönbuch

Der Wald, dessen Name bei seiner Ersterwähnung 1187 „Schaienbuch" lautete, war bereits im Mittelalter ein besonderer Rechtsbezirk. In ihm genossen die Pfalzgrafen von Tübingen Ende des 13. Jahrhunderts umfangreiche Rechte wie Jagd oder Rodung. Sie bestimmten auch, wer den Wald nutzen durfte. Diese Nutzer bildeten eine Genossenschaft, zu der etwa 70 Anliegergemeinden, Mühlen und Einzelhöfe gehörten. Für ihr Privileg mussten sie den Pfalzgrafen, seit 1342 den Grafen von Württemberg, „Miete" bezahlen und Frondienste leisten.

Was heute das Erdöl ist, war früher das Holz: Energielieferant und Rohstoff Nummer Eins. Bis ins 19. Jahrhundert bildete der Wald neben dem Acker die wichtigste Lebensgrundlage der bäuerlichen Bevölkerung. Er lieferte Brenn- sowie Bauholz und Erntewieden zum Binden der Garben, die Bauern trieben die Schweine hinein, damit sie nach Eicheln und Bucheckern wühlen konnten, Rinder grasten im Schatten der Bäume, Köhler, Harzer, Glasmacher und Imker fanden dort ihr Auskommen, Steinhauer und Töpfer ihre Rohstoffquellen.

Mit steigender Bevölkerungszahl nahm die Holznutzung entsprechend zu. Doch Bäume brauchen sehr viel Zeit zum Nachwachsen, was den holzhungrigen Altvorderen entgangen zu sein scheint, vielleicht angesichts der vermeintliche Unermesslichkeit der Wälder. Lange Zeit erfolgte die Nutzung des Waldes nach dem Bedarf der Menschen und nicht in Übereinstimmung mit seiner Leistungskraft. Das hatte Konsequenzen: „Die Aichen seind zimlicher maßen herauserschlagen worden, und ist kein Hoffnung da, daß etwas an jungem holtz hernach wachsen dörfte." So wird nicht nur im 17. Jahrhundert berichtet.

Vom einst dicht mit Eichen und Buchen bestandenen Schönbuch blieb wenig übrig. 1683 standen nur noch auf einem Viertel der 12.000 Morgen Bäume. Goethe schrieb 1797: „Einzelne Eichbäume stehen hier und da auf der Trift, und man hat die schöne Aussicht der nunmehr näheren Neckarberge sowie einen Blick ins mannigfaltige Neckar-Thal." Vor dem Dichterfürst tat sich also statt dichter Wälder eine lockere Parklandschaft auf. Vor allem die Weidewirtschaft setzte dem Baumbestand zu. Viele Bauern trieben Pferde, Rinder und Schweine in den Wald, weil sie auf ihrer Dorfmarkung lieber Äcker anbauten oder nicht genügend Weideflächen besaßen. Das Vieh fraß sich an Gräsern und jungen Bäumchen satt und verhinderte so die Verjüngung des Waldes.

Vor allem im 16. Jahrhundert, als die Bevölkerungszahl einen Höchststand erreichte, erließ die Herrschaft Forstordnungen zum Schutz der Wälder, begrenzte beispielsweise den Viehtrieb auf bestimmte Zeiten. 1627 ging man im Schönbuch dazu über, Jungkulturen einzuzäunen, um sie vor Vieh- und Wildverbiss zu schützen. Solche Maßnahmen blieben allerdings die Ausnahme. Erst als im ausgehenden 18. Jahrhundert die Stallfütterung eingeführt wurde, brachte dies allmählich ein Ende der Waldweide. Für den Wald bedeutete die Einführung der Stallfütterung zunächst noch keineswegs die Rettung. Holten sich doch die Bauern seitdem Gras, Laub, Nadeln, frische Zweige, ja sogar abgestochenen Waldboden aus dem Schönbuch und streuten diese für die Vegetation wertvollen Stoffe ihren Rindern in den Stall. Während Schäden durch zu hohen Holzeinschlag oder Wildbestand relativ rasch rückgängig gemacht werden konnten und können, benötigen Schäden am Boden Jahrhunderte zum Heilen. Erst als der Einsatz von Kunstdünger die Getreideerträge der Felder steigerte, hatten die Bauern so viel Stroh zur Verfügung, dass sie den Wald nur noch in Notzeiten wegen der Streu heimsuchten.

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